Was gibt es im Sommer Schöneres, als irgendwo am Wasser zu sein?
Dabei muss man gar nicht in die Ferne schweifen, denn mit der Ruhr und dem Kemnader Stausee hat man das Wasser vor der Haustür. Die Ruhr ist einer der sechs größeren Nebenflüsse, die innerhalb von Nordrhein-Westfalen nach einer Länge von rund 219 Kilometern in Duisburg in den Rhein münden.
Der Ruhrverband betreibt acht Talsperren mit einem Gesamtvolumen von 463 Millionen Kubikmetern. Bezogen auf ein einzelnes Flussgebiet ist dies das größte zusammenhängende Talsperrensystem in Deutschland. Habt ihr das gewusst?
Hauptfunktion der Talsperren ist die Sicherung der Wasserversorgung für rund 4,6 Millionen Menschen. Neben den acht Talsperrenmauern und -dämmen ist der Ruhrverband verantwortlich für den Betrieb und die Unterhaltung von 47 Pegeln und 33 Niederschlagsmessstationen sowie für die wasserbauliche Betreuung von 14 Wasserkraftanlagen. Sämtliche Staustufen werden zur Erzeugung von Strom durch Wasserkraft genutzt. Hierzu sind die Stauseen mit Wasserkraftanlagen ausgerüstet. Als bisher letzte Staustufe im Ruhrlauf wurde im Jahr 1979 der Kemnader See fertiggestellt.
Fuß- und Radwege entlang der Ruhr erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Zwischen Juni und Oktober 2022 wurden entlang der Radfernwege Römer-Lippe-Route und Ruhrtalradweg im Auftrag der Ruhr Tourismus GmbH (RTG) Zählungen und Befragungen von Radfahrenden durchgeführt. Der Ruhrtalradweg verzeichnete 932.200 Tagesausflügler, über eine Million Aufenthaltstage, einen Bruttoumsatz von fast vierzig Millionen Euro von Übernachtungs- und Tagesgästen. Wahnsinn! Spannend sind für die Besucher vor allem die Denkmäler der Kultur- und Technikgeschichte im mittleren Ruhrtal.
Eines der bedeutendsten kulturhistorischen Bauwerke Westfalens befindet sich am Ruhrhang in Bochum-Stiepel. Die Stiepeler Dorfkirche aus dem 12. bis 16. Jahrhundert zeigt sich mit reichen Ausmalungen und ist ein Ort der Stille. Ihre Wandmalereien sind besonders gut erhalten und dienten einst nicht nur der Zierde, sondern hatten auch die Aufgabe, der in der Regel lese- und schreibunkundigen Bevölkerung im Mittelalter die biblischen Inhalte zu veranschaulichen.
Auf dem Weg zur Ruhr begegnet man dem mächtigen Bau der Birschels Mühle.
Der Namensgeber Gottlieb Birschel wurde 1882 geboren und starb 1954 im Knappschaftskrankenhaus nach kurzer Krankheit. Die Familie Birschel betrieb die Mühle als Familienunternehmen. Bis 1866 wurde die Mühle durch Wasserräder angetrieben, danach trat Dampfkraft als weitere Energiequelle hinzu. Schon vier Jahre später wurde die Mühle durch Turbinen angetrieben. Vor allem die Qualität des Mehls war berühmt. 3000 Zentner Getreide konnten pro Tag verarbeitet werden zu Markennamen wie “Ruhrperle”, “Ruhrgold” oder “Ruhrblume”. Birschels Mühlenbetrieb wurde zu einem der erfolgreichsten Betriebe seiner Branche. Veränderungen auf dem Absatzmarkt und Konzernbildungen im Mühlengewerbe sorgten im Sommer 1955 für das Aus des über 100jährigen Familienbetriebes. 1989 wurde die ehemalige Mühle an der Schleusenstraße verkauft. Heute gibt es im Industrie-Denkmal 43 seniorengerechte Wohnungen und ein Hotel. Das repräsentative Mühlenhaus, erbaut 1902 und einer Burg ähnelnd, ist bis heute ein beliebtes Fotomotiv.
Am Ufer der Ruhr fällt der Blick natürlich auf die Hattinger Henrichshütte, dem traditionsreichsten Hüttenwerk des Ruhrgebietes, das in seiner Blütezeit 10.000 Menschen Arbeit gab und heute ein Gewerbe- und Landschaftspark mit Museum ist.
Wusstest Du, dass man für die Henrichshütte sogar das Flussbett der Ruhr verlegt hat?
Sie wurde 1956 beschlossen und begann am 21. Mai 1959. Schweres Gerät kam zum Einsatz, je nach Bedarf 60 bis 75 Lkw. Neun Bagger, acht Planierraupen und fünf Schürfraupen. Ungeheure Mengen an Material, darunter viel Felsgestein, mussten bewegt und abtransportiert werden. Ab dem 1. November 1959 befand sich die Ruhr in ihrem neuen, etwa
1,5 Kilometer langen Bett. Der Fluss verkürzte sich dadurch um einige hundert Meter. Die bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen konnten nun zu Industriegelände umgewandelt werden. Das Areal der Hütte wuchs um 480 000 auf nunmehr 1,31 Millionen Quadratmeter. Auf dem zusätzlichen Gelände entstanden ein Erzlager, eine Sinteranlage für die Erzeugung von 50.000 Tonnen Sinter (Schlacke) pro Monat und weitere Betriebe.
Ein weiterer Hochofen wurde gebaut, eine Versuchsanstalt sowie das Werksverwaltungs-Gebäude neu errichtet. Ebenso wurde ein Umschlagbahnhof für Massengüter gebaut. Auf 50.000 Quadratmeter entstanden neue Werkshallen und es gab Platz für die Lagerung von 500.000 Tonnen Erz. Mit der modernen Stranggussanlage und dem Bau des LD-Stahlwerks begann die Neustrukturierung der Stahlerzeugung. So konnte die Leistungsfähigkeit gesteigert werden und damit war die Hütte lange das größte Unternehmen im mittleren Ruhrtal. Wenn während der Dunkelheit bei einem Hochofenabstich der Himmel vom Widerschein des flüssigen Eisens glutrot leuchtete, war das auch für Menschen, die nicht auf der Hütte arbeiteten, ein besonderes Erlebnis.
1963 verschmolz die Ruhrstahl AG mit der Rheinstahl AG, zehn Jahre später wurde nach Übernahme der Rheinstahl AG die Thyssen Henrichshütte GmbH gegründet. Der sukzessive Niedergang begann 1983. Der letzte Hochofenabstich auf der Henrichshütte erfolgte am 18. Dezember 1987. Der Weg von Eisen und Stahl ist heute noch im LWL-Museum Henrichshütte erlebbar.
Ohne die Ruhr hätten sich die Menschen in Hattingen nicht angesiedelt. Ein Fluss in der Nähe bestimmte die Ansiedlung und die Entstehung einer Stadt. Radeln und Wandern mit Blick auf Wasser – einfach herrlich.
Und natürlich kannst Du am Kemnader See auch direkt aufs Wasser gehen – mit der Personenschifffahrt eine Runde drehen oder selbst Boot fahren. Freizeitspaß am Wasser und das vor der Haustür!